Der Sommer ist die Jahreszeit, in der wir der Alltagswelt am weitesten entfliehen können (und wollen). Als ich ein Kind war, fühlten sich die großen Ferien endlos lange an, die Zeit schien stillzustehen, ich selbst rückte in den Mittelpunkt der Welt. Das Wort »Urlaub« kommt von Erlaubnis. Der Erlaubnis, fortzugehen, von Pflichten befreit sich dem Eigenen, vielleicht dem Eigentlichen zuwenden zu können.
Dass »Sommer« mehr bedeutet als ein Abschnitt im Kalender oder eine bestimmte Wetterlage drückte Daniel Dickopf von den Wise Guys so aus (“Jetzt ist Sommer”, auf Youtube nachzuhören):
Jetzt ist Sommer, egal ob man schwitzt oder friert, Sommer ist, was in deinem Kopf passiert. Es ist Sommer, ich hab das klar gemacht: Sommer ist wenn man trotzdem lacht.
Pick dir einen Sommer heraus, den du erlebt hast, einen Kindheits-, Jugend- oder Erwachsenensommer. Suche dir einen Ort darin aus, am Strand, in den Bergen oder zu Hause, auf Balkon oder im Garten. Wie hat es sich angefühlt, dort zu sein, damals Zeit zu haben? Warst du allein, zu zweit, mit vielen zusammen?
Schreibidee #106: Schreibe die Geschichte eines Sommers.
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4 Antworten zu “#106 — Ein Sommer”
SOMMERWIND
Was ist schöner, als den Sommerwind zu hören,
wenn er von weither in den Baumwipfeln von seinen Reisen erzählt?
Sein Atem berauscht Laubkronen und manche müde Brise
ruht sich im dichten Äste-Labyrinth der stillen Riesen aus.
Unnötigen Ballast und schale Luft bläst Sommerwind geschickt ins Himmelblau,
bevor ein leises Lüftchen erneut seinen Entdeckergeist bewegt
und er sich aufmacht, um Weizenfelder in gelbe Ozeane zu verwandeln.
Sonnige Luft klingt weich, warm und beginnt zu flimmern,
wenn ihre Melodie goldene Strahlen über Wiesenteppiche
und Getreidefelder streicht.
Gräser so hoch gewachsen, dass sie meinen Bauchnabel kitzeln.
Noch finden Schmetterlingspaare und Insektenscharen wiegenden Schutz
und süße Nahrung in der wilden Schönheit unbeschnittener Blüten.
Kornblumen, deren Blau sich bis zum Himmel reckt
und das Weiß der Federwolken blendend schön macht.
Mohnblumen klatschen knalliges Rot auf die Sommerleinwand
und begeistern Bienen, Hummeln, Wespen, Käfer und Libellen ebenso, wie mich.
Gemeinsam tummeln wir uns im Unordentlichen.
Mit jedem Schritt durchs Blütenmeer streuen sich tausend Flügel,
wie Samen um und über mich und folgen dem Lockruf des Süßen.
Süßer Sommer durchflutet die Landschaft,
die gar nicht anders kann als warm und weit und leuchtend zu duften.
Sommerwind riecht nach Blütenhonig, Licht
und draußen unter freiem Himmel sein.
Schmeckt nach Vanilleeis und Himbeeren,
nach Fernweh, nackter Haut und bloßen Füßen.
Farben, Falter, Flügelschläge in Harmonie mit jedem Luftzug,
der durch buntes Wachstum strömt.
Grillen und Würmchen verzaubern Gärten in glühende Konzertsäle,
in der uralten Hoffnung, das heiße Sommernachtsträume in Erfüllung gehen.
Im Sommerwind darf Natur sein, muss nicht aufwachen, nicht loslassen
und braucht erst recht nicht zu erfrieren.
Sommerwind reißt Fenster auf und breitet Arme aus,
berührt und weht leidenschaftliches Durcheinander durch Köpfe und Kulturen.
Natur und Mensch dürfen sich gehen lassen,
in Körben oder Stühlen liegen, in Netzen hängen oder schaukeln,
sich lümmeln, ruhen, ein -, aus – oder verschlafen.
Wind aus dem Süden stellt uns dafür das Thermostat ganz selbstverständlich ein.
Halme, Stängel, Blätter, Blüten – alle kennen die Bedeutung von Siesta!
Sie verpassen ihren Schlummer nie.
Wir können viel von ihnen lernen.
In tiefer Tradition verwurzelt, wissen Büsche, Bäume, Hecken, Felder
und sämtliche Raine sehr genau, wann sie ihre Fensterläden schließen
und den Tag in seinem heißen Höhepunkt in Ruhe lassen.
Wir können viel von ihnen lernen.
Sommerwind besitzt eine beneidenswerte Choreographie,
die Zweck, Ziel, Produktivität und Resultat ganz einfach in den Schatten stellt.
Er tut dem Leben gut, weil er es auszieht
und so ganz ungeniert bequem, behaglich, leicht und unbekümmert macht,
wenn auch nur einen Sommer lang.
Er weht eine so wunderbare Langsamkeit und träge Friedlichkeit in uns,
die unbezahlbar ist.
Für mich ist Sommerwind einmaliger Meister des „Laissez-Faire“,
der uns auf seine unvergleichlich einfühlsame Weise wissen lässt,
wie Leben sein kann, wenn wir Natürliches geschehen lassen,
ohne uns einzumischen.
Wir können viel von ihm lernen.
Wir sollten seinem Rauschen aufmerksamer zuhören
und Sommerwind verstehen lernen.
Für ihn die eine oder andere warme Sprache lernen,
würde uns ganz bestimmt nicht schaden,
denn aus irgendeinem sonnigen Grund habe ich das Gefühl,
als spräche Sommerwind französisch, spanisch, italienisch oder griechisch.
„Savoir vivre“ – „Saber como vivir“ – „Sanno come vivere“ – „ξέρουν πώς να ζήσουν“ singt so ganz anders durch goldgelbe Kornfelder als:
„Wissen, wie man lebt“.
Sommerwind bläst Genuss in unser Leben,
schickt es ins Freie – zwanglos, zweckfrei,
lässt es nach Terrakotta, Olivenöl und nach Zypressen schmecken,
zeigt ihm Ausgelassenheit und Farben und wie sich Lächeln, Lachen,
ja sogar Jauchzen anfühlen kann.
Freude in Gesichtern von Menschen,
die den Geschichten des Sommerwinds lauschen und sich davontragen lassen.
Das Butterbrot, eine Erinnerung an eine vielleicht gute Zeit.
Annemie hatte immer ein Oberländerbrot, darunter Margarine, drüber Zucker. Bei Annemies Familie gab es nichts anderes.
Mein Butterbrot, wenn ich nicht gerade etwas in der Bäckerei kaufen oder anschrieben ließ, war stets bestückt mit guter Butter, wie man es früher nannte, und gekochtem Schinken.
Alles sollte dazu dienen, dass ich etwas dicker werden sollte, weil ich so mager war. Butter und Schinken war das Richtige, so dachte mein Mutter. Einen Vater gab es nicht.
Wir tauschten täglich die Butterbrote. Ein Gewinn für Annemie und ein Gewinn für mich.
Sommer
Wie riecht der Sommer meiner Kindheit: nach trockenem Heu und abgeerneten Getreidefeldern über die warmer Wind streicht und diesen besonderen Duft nach Staub und Hitze verbreitet.
Wie schmeckt der Sommer meiner Kindheit: nach säulich-saftigen Kornäpfeln und nach zuckersüßen Heidelbeeren, die wir in Honigeimern gesammelt haben und am Straßenrand versuchen für ein paar Pfennige zu verkaufen. Unsere blauverschmierten Münder sind die beste Reklame, wie gut die Waldfrüchte schmecken. Aber wir werden kaum welche los; wer welche braucht, geht selbst in den Wald, sie mit dem Beerenkamm zu pflücken. Was wir nach Hause bringen wird unter den Pfannkuchenteig gemischt und zu köstlichem Hoiber Datschi verbacken. Und noch einmal gab es blaue Leckermäuler.
Die Sommerferien schienen ewig zu dauern, die Tage waren im wahrsten Sinne eine „lange Weile“ … – Wir lagen auf dem Hügel an der nahen Bundesstraße im hohen Gras, kauten Sauerampferstängel und zählten die Autos, die ab und zu vorbei fuhren. Vielleicht haben wir auch versucht zu erraten, welcher Autotyp als nächstes auftauchen könnte, ein Opel Rekord, schon eher ein VW Käfer oder ein Goggo, ein Mercedes kam selten vorbei, wer entdeckte als erster einen … Hat es je geregnet? Die Sonne schien doch von morgens bis abends, bis wir nach Hause liefen, gerade noch ein Butterbrot – bitte keine Tomate obendrauf, lieber mit Zucker bestreut – verschlingen konnten und müde ins Bett fielen. Von draußen hörte man nur noch die Stimmen der Erwachsenen, die sich im Hof darüber unterhielten, was morgen wieder zu tun war – und wir träumten uns in den nächsten langen Ferientag, an dem wir uns am Bach auf dem Anger treffen wollen…
Liebe Helga,
Zuckerbrot! Ich erinnere mich gut. Das gab es auch bei uns. Zuckerbrot! In meiner Kindheit gab es nicht so viele Süßigkeiten. Klar Weihnachten gab es einen Teller mit Süßem. Plätzchen, Dominosteine, Lebkuchen. Und Ostern gab es natürlich auch einen Schokohasen und kleine Ostereier aus Vollmilchschokolade in buntem Folienpapier eingewickelt. Aber Zuckerbrot, das war eine besondere Süßigkeit im Jahr. Eine Scheibe Brot, dick mit Margarine geschmiert, und darüber dann reichlich Zucker gestreut. Welch eine Köstlichkeit. Und besonders lecker, wenn das Brot gerade frisch gekauft war.
Vielleicht sollte ich mal wieder eine Scheibe Zuckerbrot probieren.