Das Wort »Glück« kann vieles bedeuten. Hier ist nicht das wohlige Glücksgefühl gemeint, das unser Leben im besten Fall begleitet (»happiness«), sondern die gute Seite des Zufalls (»luck«).
Von Glücksfällen erzählen wir meistens gerne, nur manchmal — wie bei einem Lottogewinn — scheint es klüger, sie für sich zu behalten, um keinen Neid aufkommen zu lassen. Denn das Glück, um das es hier geht, ist immer unverdient. Glückspilz Gustav Gans ist darum, trotz aller Vorzüge, nicht ganz so beliebt wie sein Cousin, Pechvogel Donald Duck.
Ob es im Leben, dies- oder jenseits der Lottozahlen, Glücksfälle gibt, ist eine Frage der Weltanschauung. Für manche ist alles Schicksal. Nicht wenige, die mit einem Silberlöffel im Mund geboren wurden, pochen auf die Bedeutung der eigenen Leistung. Andere, die gar nichts dafür können, fühlen sich als Versager. Das biografische Schreiben, so meine persönliche Erfahrung, lehrt auch Bescheidenheit.
Schreibidee #36: Erzählen Sie von einem wahrhaftigen Glücksfall in Ihrem Leben.
Hinweis: Dabei kann es sich um eine kurze Episode handeln, wie Sie zum Beispiel knapp einem Unfall entkamen, oder um eine echte Weichenstellung. Denn auch diese (Schicksal hin oder her) hängen oft vom Zufall ab. Eine zufällige Begegnung, eine glückliche Fügung oder eben die Lottozahlen. (Das eigentliche Lebensglück, die »happiness«, hängt wohl davon ab, wie man mit diesen Glücksfällen umgeht.)
[Wie immer fände ich es toll, wenn Sie Ihren Text zu dieser Schreibidee unten in die Kommentarbox kopieren würden. Damit geben Sie zugleich Ihr Einverständnis für die Veröffentlichung auf diesen Internetseiten. Ich wünsche Ihnen viele Leser — und reichlich hilfreiches Feedback.]
3 Antworten zu “#36 — Glück gehabt!”
Danke, Herr Kappner, für die Super-Kleinigkeit. Manchmal zeigen ja kleine Dinge große Wirkung (wie auch die kleine Fliege).
Es ist früher Morgen. Die Arme vollgepackt mit Büchern, will ich die Beifahrertür meines Autos öffnen. Links neben der Tür sitzt eine giftgrüne Fliege mit großen Flügeln und genießt die ersten Sonnenstrahlen.
Nee, ich will nicht, dass sie jetzt da sitzt und womöglich in mein Auto fliegt. Dann summt sie mir um den Kopf herum während der Fahrt und irritiert mich. Mit einem kräftigen Luftstoß puste ich sie weg. Die arme Fliege kommt durch meinen Atemstoß ins Trudeln und fällt Richtung Regenabflussgitter am Boden.
Ich öffne mein Auto, lege meine Last auf dem Beifahrersitz ab und schließe die Autotür wieder.
Meine Gedanken kehren zu der grünen Fliege zurück. Ich schaue in das Abflussgitter. Wo ist sie? Eigentlich war sie doch recht schön. Hoffentlich habe ich sie nicht verletzt.
Ich sehe keine Fliege. Stattdessen sehe ich meine Halskette. Seit Wochen suchte ich sie schon und konnte sie nicht finden. Ich dachte, ich hätte sie unwiederbringlich verloren
Die Kette war mir bei einem Besuch in Köln mit anschließendem Stadtbummel ins Auge gefallen, und ich hatte sie mir gekauft. Eine einfache, zierliche Gliederkette aus geschwärztem Silber mit verschieden großen goldenen Klammern in der Mitte. Oft habe ich sie getragen. Weiß der Kuckuck, wie sie in diese Rinne gekommen ist.
Ich löse das Gitter und hole meine Kette heraus.
Vielen Dank, Du giftgrüne Fliege! Ich hoffe, es geht dir gut?
Liebe Frau Wohn,
weil Sie auf die kleine Fliege geachtet haben, sahen Sie noch viel mehr. Manchmal scheint das Glück sogar gerecht zu sein.
Die Beschreibung der Situation Bücher-Auto-Fliege ist Ihnen sehr plastisch gelungen.
Nur an einem Satz würde ich noch etwas ändern.
” … und fällt in Richtung des Regenabflussgitters.”
Die befinden sich nämlich meistens am Boden 🙂
Wenn Sie den Boden nennen möchten, um gleichsam zu betonen, dass sie ihn mit vollgepackten Armen noch nicht sehen konnten, würde ich schreiben “… Richtung Regenabflussgitter zu Boden.”
Super-Kleinigkeit. Doch für das Posten Ihres schönen Beitrags sollen Sie ja auch etwas haben …