Gerade hatte ich Schreibidee #47 fertig, als mich Roswitha Zatlokal via facebook auf ein Buch mit dem Titel »100 Frauen schreiben Briefe an das Leben« aufmerksam machte (und es mir sogar kostenlos zuschickte). Also noch einmal Briefe!

Liebes Leben,

wenn man Zeilen schreibt wie diese, an etwas, dass uns alles ermöglicht, alles gibt und alles nehmen kann, überlegt man ganz genau, […] was man zu sagen hat. Doch es ist wie immer mit Dir: Alle Planung nützt nichts, du wirfst doch wieder alles um.

Vivian Donna, 26 Jahre

So beginnt eine der 100 Frauen ihren Brief an das Leben und erklärt damit zum Teil, welchen Effekt ein solcher Brief für die eigene Selbst-Vergewisserung haben kann. In einem Lebens-Brief lässt sich Bilanz ziehen, überwundene Schwierigkeiten können abgehakt, gegenwärtige mit etwas mehr Distanz betrachtet werden.

Die Idee zu diesen Briefen stammt von Verena Nickl. In einer Krise fragte sie sich, wie andere Frauen wohl solche Situationen, wie sie ihr Leben mit allen Schwierigkeiten und Rückschlägen bewältigen. Das Internet ermöglicht es, solche Fragen auch tatsächlich zu stellen, und aus den Antworten wurde bald ein Buchprojekt. Die jüngste der Briefeschreiberinnen, die sie gewinnen konnte, war 14 Jahre alt, die älteste 58. Das Durchschnittsalter liegt bei 37 Jahren (ja, ich habe nachgerechnet ;).

Liebes Leben,

so beginnen meine Briefe an Menschen, die ich schätze, gern habe oder liebe, denen ich meine Achtung […] ausdrücken möchte. Und dir, liebes Leben, möchte ich vollumfänglich danken — dir meine Liebe zu dir und meine Dankbarkeit für deine Geschenke ausdrücken.

Elvira, 41 Jahre

In diesen 100 Briefen, die jeweils zwei bis drei Buchseiten umfassen, kommt nicht nur Dankbarkeit, sondern auch viel Schweres zur Sprache: Krankheiten, eigene und die von geliebten Menschen, Beziehungskrisen, Gewalterfahrungen, Ängste. Doch dass die Frauen schreiben, bedeutet immer auch, dass sie nicht aufgeben. Der Lebensmut wird am Ende siegen: Das war wohl der Gedanke, den die Herausgeberinnen vermitteln wollten.

Liebes Leben, schick mir Wind, denn ich habe mir einen Drachen gekauft und gelernt, ihn im Wind und im Regen tanzen zu lassen.

Jen, 30 Jahre

Liebes Leben, Du hast meiner Mama die Chance genommen, ihre Enkel kennenzulernen, hast mir die Chance genommen, ihr zu sagen, dass sie nun zum vierten Mal Oma werden würde, aber Du hast mir auch etwas geschenkt. Etwas Besonderes, etwas Großes: ein neues Leben. […] Die Chance, selbst Mama zu sein. Und dafür, liebes Leben, möchte ich mich bedanken.

Nora, 28 Jahre

Manche »Kopf-hoch-Sprüche« klingen vielleicht etwas simpel, doch verbunden mit den vielfältigen Lebensgeschichten entwickeln sie eine Wirkung, die tiefer geht als die mancher »Weisheitsbücher«. Eine therapeutische Wirkung vielleicht, wenn man sich selbst gerade im Tal der Tränen vermutet, eine Art Selbsthilfegruppe im Taschenbuchformat.

Für Euch alle da draußen: Haltet durch. Kein Kampf ist umsonst, wenn Ihr dafür zurück ins Leben kommt. Und dass dies möglich ist, habe ich Euch mit diesem Brief bewiesen.

Silvia, 46 Jahre

Hier die komplette Literaturangabe, damit das Buch auch kräftig gekauft wird. Denn der Erlös ist für ein Frauenhaus im Raum Münster bestimmt:

Verena Nickl und Ina Nordmann (Hrsg.): 100 Frauen schreiben Briefe an das Leben. BoD, Norderstedt 2018, ISBN 978-3-7528-2278-6

Schreibidee #49: Schreiben Sie einen Brief an das Leben.

Hinweis 1: Was wollten Sie dem/Ihrem Leben schon immer einmal sagen? Sie können danken, sich beschweren, nachfragen, Ihr gelebtes Leben Revue passieren lassen oder einen ganz bestimmten Moment hervorheben.

Hinweis 2: Beginnen Sie wie bei bei Briefen üblich mit einer Anrede: »Liebes Leben, …« und denken Sie daran, dass das Leben der Adressat ist, keine bestimmte Person.