Das Geld ist wie der sprichwörtliche Baum im Wald: Es ist überall, und darum sieht man es kaum mehr. Nur selten bringt man es, sofern man nicht in Armut lebt, mit den eigenen Lebensentscheidungen, der eigenen Biografie im Zusammenhang. Oder nur auf abstrakte Weise. Mein Interview mit der Expertin für Geldbiografien Birgit Happel hat mich auf die Idee gebracht, wie es wäre, über das Geld im eigenen Leben zu schreiben — und damit auch eine Art Tabu zu brechen.
Der Großzügige ist nicht leicht reich. Er legt es ja nicht darauf an, zu empfangen und zusammenzuhalten, sondern neigt eher zur Verschwendung, da er das Geld nicht seiner selbst, sondern des Gebens wegen schätzt. Deshalb schilt man auch das Schicksal, weil die, die es am meisten verdienen, am wenigsten reich sind. Und doch geht das ganz natürlich zu. Denn man kann nicht reich werden, wenn man auf das Erwerben keine Sorge verwendet, wie das ja auch bei allen anderen Gütern der Fall ist. Darum wird der Großzügige aber doch nicht geben wem er nicht soll und wann er nicht soll, und wie die Fehler alle heißen. Denn da handelte er nicht mehr nach der Regel der Großzügigkeit, und bei einer derartigen Verwendung seines Geldes bliebe ihm nichts mehr zur Verwendung am rechten Orte übrig.
Aristoteles, Nikomachische Ethik
Aristoteles zeigt ein Dilemma auf, das nur durch Erbe oder Lebensklugheit gemildert werden kann: Dass Geld nämlich auch die Handlungsfreiheit bestimmt. Wer wenig vermögend ist, hat es schwerer, die eigenen moralischen Maßstäbe in die Tat umzusetzen. Bill Gates hat leicht spenden. Und doch können nicht alle zunächst nach Reichtum streben, um sich später einmal als Krankenschwester, Eltern, Klimaschützer oder Flüchtlingshelfer zu betätigen (oder solche zu bezahlen, damit sie die Arbeit tun).
Geld bestimmt in hohem Maße, was wir tun können, und das heißt: Es bestimmt mit über unsere Biografie.
Oder um es mit einem großen Dichter zu sagen 🙂
Geld macht nicht glücklich
Rio Reiser
Es beruhigt nur die Nerven
Und man muss es schon besitzen
Um’s zum Fenster rauszuwerfen
An welchen Wendepunkten in Ihrem Leben spielte Geld eine Rolle? Konnten Sie an einer Privatschule lernen, einen bestimmten Kurs belegen? Haben sie in jungen Jahren fremde Länder bereist und darum gerne Sprachen gelernt? Konnten Sie ein Unternehmen gründen? Oder war es umgekehrt: Hat Sie die (relative) Armut motiviert, über sich selbst hinaus zu wachsen und etwas zu erreichen, was zunächst außerhalb Ihrer Möglichkeiten schien?
Schreibidee #55: Erzählen Sie von einer Situation, in der sich der Besitz oder das Fehlen von Geld auf den Verlauf ihres Lebens auswirkte.