Das autobiografische Schreiben eignet sich perfekt für Freiheitsgeschichten. Für Befreiungsgeschichten. Denn das Schreiben selbst ist bereits eine Selbstbehauptung.

Das Problem ist, dass ich nach jeder aufgehobenen Einengung eine weitere Einschränkung vorfinde, die hinter der ersten liegt. Ständig werde ich daran erinnert, dass es Dinge gibt, die ich niemals erfahren werde. Ich kann diesen Gedanken nicht ertragen, ein ganzes Leben auf diesem Planeten zu verbringen, ohne das zu erleben, was ich zu erleben mir erträume, und zwar nur, weil es verboten ist. Ich glaube nicht, dass diese Version der Freiheit je reichen wird, solange sie nicht alles umfasst. Ich glaube nicht, dass ich glücklich sein kann, solange ich nicht wirklich unabhängig bin.

Deborah Feldman: Unorthodox

Das Memoir »Unorthodox« von Deborah Feldman ist wohl deshalb so erfolgreich, weil es Einblicke in eine religiöse Gemeinschaft bietet, die bislang sehr selten waren. Was dem Buch seine Überzeugungskraft gibt, ist jedoch in erster Linie das Streben der Autorin und Protagonistin nach Freiheit.

Mancher sehnt die Freiheit nach dem Ende des Berufslebens herbei, eine andere nimmt sich die Freiheit, zu kündigen und ihren Lebenstraum zu verwirklichen. Viele suchen die Freiheit im Urlaub oder bei »freier Fahrt« auf der Autobahn. Derzeit sprechen einige davon, dass ihre Freiheit in Gefahr sei, wenn sie Gesichtsmasken tragen müssen. Andere fühlen sich erst frei, wenn sie ganz sicher sein können, dass Ihnen nichts geschieht. Aber kann man sich dem jemals sicher sein? Ist Sicherheit das Gegenteil oder die Voraussetzung von Freiheit?

Es gibt die »Freiheit von« und die »Freiheit zu«. Politische Freiheitsrechte und die Freiheit des Geistes. Oder ist letzte nur eine Illusion? Ist nicht, was wir tun und mögen, durch Gene und die Informationen vorherbestimmt, mit der wir unser Gehirn füttern? In seinem Buch »Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens« schreibt der Philosoph Peter Bieri:

Wachsende Selbsterkenntnis bedeutet wachsende Freiheit. So gesehen ist Selbsterkenntnis ein Maß für Willensfreiheit.

Insofern das (auto)biografische Schreiben Selbsterkenntnis nicht nur voraussetzt, sondern auch zu größerer Selbsterkenntnis führt, kann es also unserer persönlichen Freiheit dienen. Also schreiben Sie los!

Schreibidee #72: Was ist Freiheit für Sie? Beschreiben Sie eine Situation, in der sie sich besonders unfrei, und eine, in der Sie sich ganz frei fühlten.