Berühmte autobiografischen Texte sind aus dem Impuls heraus entstanden, den eigenen Glauben zu dokumentieren, zu rechtfertigen oder zu festigen. Augustinus erzählte seine Lebensgeschichte in den »Bekenntnissen« als Glaubensbiografie. Und auch andere von der katholischen Kirche zu Heiligen Ausgerufene schrieben »Selbstbiografien«, etwa Theresa von Avila oder, in ihrer Nachfolge, Therese von Lisieux.

Spannung zwischen Demut und Individualität

Letztgenannte sind stellenweise ermüdende, auf ihre Weise aber auch anregende Lektüren. Denn heutige Leser/innen müssen zwischen den Zeilen lesen. In einer von studierten Männern dominierten Sphäre brauchte die Ordensgründerin Theresia von Avila (1515-1582) recht viel Selbstbewusstsein, um von sich und ihren Einsichten zu schreiben. Sollte ihre Glaubensbiografie die Wirkung entfalten, die sie offensichtlich anstrebte, musste sie ihren Anspruch unter reichlich Demutsformeln verstecken. Andernfalls wäre sie zensiert worden.

Therese von Lisieux’ autobiografische Aufzeichnungen erschienen zunächst redigiert unter dem Titel »Geschichte einer Seele«. Ihr Erfolg war wohl ausschlaggebend für die Heiligsprechung (was ich, zugegeben, nicht ganz begreifen kann). Interessant ist hier vor allem die Spannung zwischen der ausgeprägten Persönlichkeit der jungen Frau, die in einzelnen Formulierungen aufblitzt, und dem Anspruch der Karmelitin, ganz heilig zu werden, was für sie hieß: in der Liebe zu Gott aufzugehen, nichts bloß Individuelles zuzulassen.

Ich verbleibe hier in der christlichen Sphäre, weil ich mich anderswo nicht auskenne. Hinweise (in den Kommentaren) über wichtige Glaubensbiografien jenseits davon wären mir sehr willkommen.

Glaubensbiografie kein Privileg von Heiligen

Rohnstock-Biografien veranstaltete vor etlichen Jahren einen Erzählsalon zum Thema dieser Schreibidee. Der Mitschnitt wurde auf YouTube veröffentlicht. Darin erzählen Menschen von ihrer Glaubensbiografie, keine Heiligen, und nicht nur Christen. Es geht um die Suche nach dem Lebenssinn und einem weiteren Horizont für das eigene Tun. Mit unseren je und je beschränkten Mitteln.


Schreibidee #89: Schreibe davon, wie du deinen Glauben gefunden hast. (Oder verloren. Oder wie er sich entwickelte.)


Hinweis: Du kannst ein bestimmtes Schlüsselerlebnis auswählen, das dich zu einem Glauben, einer Überzeugung führte. Oder du verfolgst die Entwicklung deiner Glaubensvorstellungen während eines oder mehrerer Lebensabschnitte, etwa von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter: eine richtige Glaubensbiografie.