Namen besitzen einen eigenartigen Zauber. Sie scheinen auf geheimnisvolle Weise mit unserer Identität verbunden zu sein. Obwohl wir statt Stefan doch auch Michael oder Franz, statt Petra auch Sabine oder Lucette hätten heißen können.
Wir verstehen den Vorgang. In manchen Familien vergibt man gerne drei oder mehr Vornamen und ehrt Großeltern oder Taufpaten, indem man ihre Namen weitergibt. In manch anderen gibt es Karl senior und Karl junior. Und in wieder anderen hält man sich kurz, ein Vorname mit drei Buchstaben muss reichen. Kai oder Isa. Dennoch macht es einen Unterschied, ob man den eigenen Vornamen mag und gerne hört, oder ob man sich vielleicht mit 15 lieber für den Spitznamen entschieden hat. Ob man sich gar einen eigenen Namen einfallen ließ, für eine gewisse Zeit oder den Rest des Lebens.
Nicht zu vergessen: Der Nachname, gelegentlich mit »von« und »zu«, meistens ohne. Sollte man den akademischen Grad, einmal erworben und im Personalausweis als Namensbestandteil eingetragen, in der Unterschrift ergänzen? Und wie verhält man sich im Falle einer Heirat? Entscheidet man sich für die traditionelle Handhabung, für einen Doppelnamen oder die vermeintlich hübscheste Variante? (Ich nenne hier absichtlich keine Beispiele.)
Wie bist du zu deinem Namen gekommen? Mochtest du ihn als Kind, magst du ihn jetzt? Welcher andere Namen hat für dich eine wichtige Bedeutung? Gab es in deinem Leben einmal ein Namens-Dilemma?
Schreibidee #91: Schreibe eine Namens-Geschichte.
4 Antworten zu “#91 — Namen”
Mein Name erschien in meiner Kindheit fast schon als Synonym für inflationär! Jede 3. (so erschien es mir) hieß Sabine. Sogar in meiner Nachbarschaft lebte, genau im Haus gegenüber, auch eine Sabine, die ich sehr mochte! Meine Mutter vielleicht auch?
Ich habe es versäumt, sie nach dem Grund zur Auswahl meines Namens zu fragen. Sicherlich waren mit meinem Namen auch Wünsche, Vorstellungen, gute Gedanken verbunden… ich hoffe es! 🙂
Doch leider hatte ich es in meiner Kindheit und Jugend schwer mit meinem Namen… manchmal hätte ich mir einen besonderen gewünscht, einen – der mich aus der Masse hervor hebt und mir ein Alleinstellungsmerkmal gibt… vielleicht lag es daran, dass ich als 3. von 4 Kindern geboren wurde und aufgewachsen bin! Und so wird deutlich, wie sehr ein Name auch an Persönlichkeit, oder viel mehr Identität gebunden ist, oder gar formt?
Ich habe mir oft gewünscht, einfach gesehen zu werden – nicht in der Masse unterzugehen und es hat viele Jahre gebraucht, dass ich mir das selbst geben konnte… mich selbst sehen = mich selbst wertschätzen und ernst nehmen…
Heute bin ich Sabine…
ich bin eine Frau – aber KEIN Frauenzimmer und auch nicht hold und Tugendhaft:-)
habe meine Stärken und auch Schwächen und manchmal wird aus dem Einen, das Andere! Und alles ist ok – ich bin Sabine, DIE Sabine….-)
liebe Sabine, vielen Dank für diesen Text. Wie Du wahrscheinlich weißt, heiße ich Stefan. In der Grundschule waren wir drei Stefans. Während meiner gesamten Schulzeit gab es uns im Plural. Daher kann ich sehr gut nachvollziehen, was du schreibst.
Geschichten zu erzählen ist eine Möglichkeit, uns zu unterscheiden und den Allerweltsnamen mit Bedeutung aufzuladen. Liebe Grüße, Stefan
Ich heiße Anneliese. Ein altmodischer Name. Keine Kind meiner Genration hieß so. Nur Mütter hießen so.
Eine heilige Anneliese gibt es nicht. Aber es gib die heilige Anna, die Mutter Marias, wieder so was Altmodisches. Auf Bildern war sie immer die Alte, mit Kopfbedeckung und eher fülligen Figur. Nichts, womit man sich als junges Mädchen identifizieren möchte.
Noch schlimmer war, wenn mich die anderen Anne nannten, vielleicht lag es zu nah an Anna.
Als ich in der Pflegevorschule anfing, wurde dort, weil katholisch, kein Geburtstag gefeiert sondern nur der Namenstag: Geburtstag hat jeder Hund, einen Namen nur der Mensch. Ich musste mich also entscheiden. Ich war für Elisabeth, die war ein bisschen besser als die Anna, jünger, allerdings starb sie auch früh. Insgeheim wuchs ein wenig aufmüpfiger Stolz, dass es keine heilige Anneliese gab.
Warum heiße ich Anneliese? Ich wusste, dass ich nach einer Tante benannt worden war. Tante Anneliese. Sie war aber nicht meine leibliche Verwandte. Ihr Mann war ein Freund meines Vaters. Tante Anneliese war jedoch evangelisch. Sie durfte nicht meine Taufpatin sein. So hielt mich eine andere Frau über das Taufbecken, aber den Namen durfte ich haben.
Woher mein Zweitname Ingeborg kommt, das weiß ich freilich nicht. War es der Name der Frau, die mich über das Taufbecken hielt?
Viele Jahre später bin ich Tante Anneliese begegnet, etwa ein halbes Jahr vor ihrem Tod.Sie war mit ihrem Mann, bald nach meiner Geburt, weggezogen. Und langsam ging der Kontakt zwischen meinem Vater und seinem Freund verloren.
Schön, dass ich sie noch kennenglernt habe.
Namen
„Name ist Schall und Rauch“ läßt schon Goethe seinen Faust zum Gretchen sagen. Das mit den Namen ist tatsächlich so eine Sache.
An den Vornamen kann man oft erkennen, wie alt die Namensträger sind – Kevin und Seline dürften jetzt so um die 25 Jahre alt sein und fünfzig Jahre älter Hans, Peter und Wolfgang oder Brigitte und Renate. Warum meine Zwillingsschwester Christa heißt und ich Helga, das habe ich nie so richtig erfahren. Die Namen haben ihr einfach gefallen, sagte meine Mutter, wenn ich sie danach fragte. Dass Helga ein nordischer Name ist, hat sie vermutlich nicht gewußt. Heutzutage wird dieser Vorname nicht oder kaum mehr vergeben, dann schon eher die russische Abwandlung Olga.
Wer mit seinem Vornamen nicht zufrieden ist, kann – wenn vorhanden – auf seinen zweiten zurückgreifen oder sich eine Abwandlung des eigenen Namens geben, so wird aus Monika Moni oder aus Franziska Franzi. Aber vielleicht ist ja nicht jeder mit der Verkürzung seines Namens glücklich: Bärbel statt Barbara oder Resi statt Therese wird vielleicht nicht so gerne gehört. Es könnte aber auch auf einen erfundenen Namen ausgewichen werden; es muss ja nicht gleich – so wie Ringelnatz seine Frau nannte – „Muschelkalk“ sein.
Da bereitete mir als kleines Volksschulkind mein Nachname schon mehr Kummer. Vor allem wenn in der Vorbereitung auf eine Wanderung oder den Klassenausflug fleißig das Volkslied „Im Frühtau zu Berge“ geübt wurde. Sobald die zweite Strophe erklang, drehten sich alle Köpfe zu meiner Schwester und mir – „Wer sollte aber singen wenn wir schon Grillen fingen in dieser herrlichen Frühlingszeit …“ Unser Familienname „Grill“ führte dazu, dass ich – schüchtern wie ich war – auf diese etwas feixende Aufmerksamkeit der anderen Kinder jedesmal mit einem hochroten Kopf reagierte. Diese Liedstrophe wurde auch noch wiederholt und erst das „… wir sind hinausgegangen den Sonnenschein zu fangen …“ brachte Erlösung.
Lieber hörte ich dann doch viele Jahre später das immer freundlich zugewandte „Grillchen“ der Arbeitskolleginnen.
Der Familienname ändert sich oft mit der Hochzeit. Aber auch das nicht mehr so selbstverständlich wie noch fünfzig Jahren. Heute kann man wählen und den eigenen Namen behalten, den „angeheirateten“ anhängen oder, wie früher, den Namen des Liebsten annehmen.
Wenn einem der eigene Name partout nicht gefällt, wäre eine mögliche Alternative, ihn nach dem Namensänderungsgesetz ändern zu lassen. Aber würde das etwas ändern – bleibt man nicht der, der man ist?