In der Schreib(gruppen)Idee #G1 ging es ums »kollektive Erinnern« nach Joe Brainards Klassiker »Ich erinnere mich« (»I remember«, 1970, deutsch im Walde+Graf-Verlag, Zürich 2011). Mithilfe der vorgeschlagenen Methode konnten sich die verschiedenen Erinnerungen von Gruppenteilnehmern mischen, ergänzen, widersprechen — und zu einem gemeinsamen Gruppenwerk gerinnen. Nun brachte mich die Anfrage einer Kundin und Schreibzoomteilnehmerin auf eine weitere »Brainard-Idee«.
Beim Austausch mit alten Freund*innen, Verwandten und Weggefährt*innen stellen wir oft fest (und so ging es besagter Teilnehmerin), dass sich die Erinnerungen an gemeinsame Zeiten und Erlebnisse unterscheiden. Das kann irritieren, aber auch interessant sein: Wir erzählen uns gegenseitig Geschichten, in denen der/die andere vorkommt. Und hören verwundert, was er oder sie uns von uns zu erzählen hat.
Mit Hilfe von Joe Brainards Methode, jeden Satz (oder jeden Absatz) mit den Worten »Ich erinnere mich« zu beginnen, lassen sich die Erinnerungen zweier »Schreib-Partner*innen« zu einer gemeinsamen verbinden und zugleich dokumentieren. Dafür schlage ich E-Mails als Medium vor, denn an jeder E-Mail hängt als Anhang die vorherige. So ergibt sich eine E-Mail-Kette mit den Erinnerungen zweier Menschen zum gleichen Thema oder zur gleichen Zeit. Aus zwei »Erinnerungsfasern« wird ein gemeinsamer, stärkerer »Erzählfaden« gesponnen. Wenn alles gesagt und geschrieben ist, liegt sie in einem Stück vor und kann z.B. ausgedruckt werden.
Schreibidee G#3: Zunächst einigt man sich über das Ziel und diese Methode. Dann schreibt Person 1 (P1) eine kurze E-Mail an P2, die mit den Worten beginnt »Ich erinnere mich …« und von einem gemeinsamen Erlebnis oder einer gemeinsamen Zeit berichtet. P2 antwortet (ohne die übliche Grußformel etc.) ebenfalls mit »Ich erinnere mich …« und stellt ihre Erinnerungen dar. So geht es per E-Mail hin und her, bis das Thema »auserzählt« ist.
Hinweis 1: Die E-Mails müssen nicht unbedingt aus nur einem Satz bestehen, sollten aber nicht zu lange sein. Das gilt vor allem für die erste E-Mail. Auslassungen und Andeutungen machen dem Gegenüber Lust, die eigenen Erinnerungen zu ergänzen.
Hinweis 2: Die vorherigen E-Mails sollten immer eingeschlossen (zitiert) werden. Am besten schreibt man die neuen Sätze jeweils unter die älteren.