»Was sollte man beim Schreiben einer Autobiografie beachten? Gibt es dazu eine kurze Checkliste?« — so fragte mich vor ein paar Tagen ein Abonnent meines biografischen Newsletters. Checklisten helfen dabei, Vorhaben zu planen, und vor allem: nichts Wichtiges zu vergessen. Bei einem anspruchsvollen Projekt wie dem Schreiben einer Autobiografie fällt eine Checkliste meist länger aus. Weil aber ausdrücklich nach einer kurzen Liste gefragt wurde, beschränke ich mich in diesem Fall wirklich auf das Allerwichtigste. Hier also meine kurze Liste von Dingen, die man nicht vergessen sollte, wenn man sich daranmacht, die eigene Biografie zu schreiben.
Motivation klären
Bevor du anfängst zu schreiben, solltest du wissen, ob die Autobiografie für dich sein soll (Bilanz, Klärung, Bewältigung) oder für andere — und für wen. Wer für sich selbst schreibt, muss keine Regeln beachten. Und Texte, die für eine allgemeine Leserschaft gedacht sind, sollten ganz andere Anforderungen erfüllen als solche für die Familie.
Viele schreiben aus dem Bauch heraus und lassen die Frage »Für wen?« unbeantwortet. Je nachdem machen sie sich damit zu viel oder zu wenig Arbeit — und messen mit den falschen Maßstäben. Ich empfehle also: Schreibe zunächst einen kurzen Text über deine Motivation. Vielleicht kannst du ja Teile davon später in ein Vorwort übernehmen.
Über den Unterschied zwischen Autobiografie und Memoir informieren
Es ist längst nicht immer nötig, sinnvoll oder das Beste, alle Lebensstationen und -themen erzählerisch aufzuarbeiten. Aus historischen Gründen und weil es so klingt, wird das autobiografische Schreiben im deutschsprachigen Raum oft mit dem Schreiben einer (kompletten) Autobiografie in Verbindung gebracht. Dabei ist eine autobiografische Erzählung, die sich auf ein bestimmtes Thema konzentriert, oft einfacher zu schreiben (und meist auch unterhaltsamer zu lesen). Im Englischen gibt es für einen solchen Text den eingängigen Namen »Memoir« (Erinnerung). Hier habe ich etwas (Längeres) zu Memoir geschrieben.
Autobiografische Bücher lesen
Kultur entsteht durch Nachahmung. Formen werden übernommen, variiert, neu gemischt, ins Gegenteil verkehrt — von nichts kommt nichts. Wer keine (sprachlichen, textlichen) Formen kennt, schreibt im luftleeren Raum. Er/sie hält sich für originell, wiederholt in Wirklichkeit jedoch Klischees, die er/sie irgendwo aufgeschnappt hat. Wenn man eine Autobiografie schreiben möchte, ist es darum wichtig, zu lesen. Klassiker der autobiografischen Literatur (z.B. Rousseaus Bekenntnisse, oder andere Bücher dieser Liste), aber vor allem Zeitgenossen.
Geschichten schreiben
Die wichtigste Form für das autobiografische Schreiben ist die Geschichte oder die Erzählung. Es geht weniger darum, Fakten zu vermitteln oder Bewertungen abzugeben. Stattdessen solltest du erzählen, wie es war. Und möglichst so, dass ein*e Leser*in sich in die jeweilige Situation hineinversetzen kann, sie aus deiner Sicht nacherlebt. Auch wenn du nur für dich schreibst, solltest du Geschichten schreiben. Sie dienen dazu, dein früheres Ich besser zu verstehen. Wenn dir nicht klar ist, wie sich Geschichten von Berichten, Chroniken, Zusammenfassungen etc. unterscheiden, helfen Ratgeber oder Kurse. Vielleicht hilft dir auch schon die Frage »Wie kam es dazu, dass …«, damit du ins schriftliche Erzählen kommst.
Überblick verschaffen
Kein Leben kann komplett erzählt werden. Weil jedes Leben aus vielen Tagen besteht — und weil schon ein einzelner Tag sehr ausführlich erzählt werden kann. Um besser auswählen zu können, was du in deiner Autobiografie schreiben willst, solltest du dir einen Überblick verschaffen. Mittels Listen oder kreativen Methoden der Biografiearbeit, zum Beispiel einem Zeitstrahl mit Lebensereignissen oder einer Karte, auf der alle Wohnorte verzeichnet sind. Tagebücher und Fotoalben helfen dabei, schon beinahe Vergessenes wieder hervorzuholen. Schreibideen, wie sie zahlreich auf biografika zu finden sind, bringen dich auf neue Gedanken, so dass du das Erlebte aus einer frischen Perspektive sehen kannst.
Lektorat organisieren
Die meisten Autor*innen von Autobiografien haben vorher noch kein Buch geschrieben. Darum ist die Autobiografie auch eine Domäne von sogenannten »Ghostwritern« oder Biografen wie mir. Um die mangelnde Erfahrung auszugleichen, ist es sinnvoll, sich Hilfe zu holen — und das ist, wenn es um Texte geht, ein*e Lektor*in. Zum Beispiel ein Erst-Leser aus deinem Umfeld, der ein Interesse an deinem Leben hat und dir so ehrlich wie möglich sagt, wie er den Text findet. Was sie vielleicht besser erklärt haben möchte oder was du besser kürzen solltest. Was ihm gefällt und was du vielleicht noch einmal neu schreiben solltest. Vor einer Veröffentlichung (auch in einer kleineren Öffentlichkeit, z.B. einem Verein) rate ich dringend zu eine*r professionellen Lektor*in. Ja, das kostet. Aber es ist die Sache wert. Denn eine Autobiografie schreiben — das machst du wahrscheinlich nur einmal — und mit Herzblut.
2 Antworten zu “Kurze Checkliste »Autobiografie schreiben«”
wenn doch bloß diese Sternchen nicht wären, der newsletter ließe sich so schön lesen.
Am Ende haben wir noch Quoten mit maskulinen und femininen Substantiven einzuhalten.
Herzliche Grüße BB
Lieber Herr Bader,
ich gebe Ihnen Recht: das Ei des Kolumbus sind die Sternchen nicht. Das Anliegen inklusiver Formulierungen teile ich aber — und so oder so befindet sich die Sprache im ständigen Wandel. Also warum nicht das eine oder andere ausprobieren? Der * gefällt mir immerhin ein bisschen besser als das große Binnen-I. Wenn es gut in die Formulierung passt, nehme ich auch den Schrägstrich oder verdopple die Anrede — und irgendwann fällt jemandem vielleicht etwas Besseres ein. Ich plädiere in dieser Sache also für Offenheit und Toleranz — Quoten oder Vorschriften halte ich für kontraproduktiv. Und wer sollte diese auch erlassen?
Viele Grüße — und schreiben Sie wohl!